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Das Buch von 


Christiane Fritsche:



Ausgeplündert, zurückerstattet und entschädigt

– Arisierung und Wiedergutmachung in Mannheim -

ist eine Sonderveröffentlichung des Stadtarchivs Mannheim – Institut für Stadtgeschichte, Herausgegeben von Ulrich Nieß, Stadt Mannheim; mit einem Vorwort des Bürgermeisters Peter Kurz und von Johannes Paulmann und Ulrich Nieß. Die Redaktion hatte Susanne Schlösser.

960 Seiten mit 178 Abbildungen und eine farbige Übersichtskarte. Im verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher. 2. Auflage 2013. ISBN 978-3-89735-772-3

Es behandelt -endlich, 2012 in der 1. A.- die Verfolgung der jüdisch-gläubigen Bürgerinnen der Stadt Mannheim unter dem NS-Regime und die so genannte deutsche Wiedergutmachung in der Nachkriegszeit.

Qu-stadt plan1949 Ari

Stadtplan von 1949 mit den arisierten Grundstücken, Mannheim
rosa=arisiert; gelb=wahrscheinlich arisiert
Quelle: Stadtarchiv Mannheim MA-ISG

Inhalte, Gliederung[]

  • Geleitwort, Vorwort, Einleitung ................8 - 37

Teil I: Arisierung ......38[]

1. Verdrängt und diskriminiert: Arisierung 1933–1937 ...39[]

      • 1.1. Die Machtergreifung in Mannheim und die unmittelbaren Folgen für die jüdischen Betriebe .................................39


        • 1.1.1. Die Jüdische Gemeinde und jüdische Betriebe in Mannheim .....................39
        • 1.1.2. Machtergreifungund nationalsozialistische Entscheidungsträger in Mannheim ..….....44
        • 1.1.3. Die Folgen der Machtergreifung für die jüdischen Gewerbetreibenden in Mannheim ..…......48
      • 1.2. „Deutsche, kauft nicht beim Juden!“: Der Boykott gegen jüdische Betriebe ...........52


        • 1.2.1. Der Boykott am 1.4.1933 ......................52
        • 1.2.2. „Eh’ er den Ramsch vom Juden kauft“: Der Boykott ab April 1933 ............56
        • 1.2.3. Der Boykott gegen jüdische Warenhäuser ..….....61
        • Exkurs 1: Ein Kaufhaus-Imperium im Südwesten: Margarete Levis und das Warenhaus Schmoller in Mannheim ................................ 63
      • 1.3. Maßnahmen der Stadt Mannheim gegen jüdische Betriebe und Selbstständige .....75
      • 1.4. Regelungen für einzelne Berufsgruppen ............84


      • 1.5. Die Situation der jüdischen Angestellten ..........96
      • 1.6. Mehrfrontenkrieg: Repressalien gegen jüdische Geschäftsleute ............................101


        • 1.6.1. Die Agitation von Parteigliederungen ..….........103
        • 1.6.2. „Hässlich und gemein“: Pressekampagnen gegen jüdische Geschäfte .........107
        • Exkurs 3: „Bis ins kleinste Schwarzwalddorf derart angeprangert“: Die Pressekampagne gegen Fritz Erlanger und die M. Marum GmbH ..... 110
        • 1.6.3. Prozesse gegen jüdische Geschäftsleute ..…........114
        • Exkurs 4: „Da stimmt doch was nicht!!“: Der Prozess gegen den Zigarrenfabrikanten Konrad Hirsch ..…........116
        • Exkurs 5: „Freiwild“: Der Prozess gegen den Schrotthändler Nuchem Klotz ....122
        • 1.6.4. Arisch als Wettbewerbsvorteil: Das Verhalten der Konkurrenz ..................126
        • 1.6.5. Die Diskriminierung von Mischlingen und mit Juden verheirateten Geschäftsleuten ..….130
      • 1.7. Die Auswirkungen der antijüdischen Maßnahmen: Die Situation der jüdischen Betriebe in den ersten Jahren nach der Machtergreifung ......................136


        • Exkurs 6: „Auch weiterhin nicht [...] benachteiligt werden soll“: Die Firma Martin Kallmann ..…......141
      • 1.8. Überlebensstrategien der bedrängten jüdischen Betriebe ..…...146


        • Exkurs 7: „Statthalter“ für einen Freund: Die Gründung der Deutschen Druck- und Verlagshaus GmbH ................................151
        • Exkurs 8: Arisierung in zwei Akten: Die Rhenania ..….161
      • 1.9. Die finanzielle Ausplünderung der Juden ........171


        • 1.9.1. Die Devisengesetzgebung .....................173
        • 1.9.2. Die Reichsfluchtsteuer und das Mannheimer System ................................177
      • 1.10. Der Übergang zur systematischen Arisierung 1936/37 ..….....185

2. Verkauft und ausgeplündert: Arisierung 1938–1939 ...203[]

      • 2.1. Die Arisierung vor der Reichspogromnacht ....203


        • 2.1.1.
        • 2.1.2.
        • 2.1.3.
        • 2.1.4.
        • 2.1.5.
        • 2.1.6.
        • 2.1.7. Die Definition des Begriffs „jüdische Unternehmen“ ................................203
        • Die Verordnung gegen die Unterstützung der Tarnung jüdischer Gewerbebetriebe und die „Tarnung“ jüdischer Firmen ..............................207
        • Die Verordnung über die Anmeldung des jüdischen Vermögens vom April 1938 ...................................211

2.1.3.1. Die Anmeldung des jüdischen Vermögens in Mannheim ............211

2.1.3.2. Betriebsarisierungen in Mannheim ab April 1938:

  • Entscheidungsinstanzen und Prozedere ..….....216


Die Arisierung von jüdischen Betrieben ab April 1938 .............................233

  • 2.1.4.1. Das Ausmaß der Firmenarisierungen in Mannheim .....................233


        • 2.1.4.2. Vor der Arisierung: Die Suche nach einem Käufer .......................239
        • 2.1.4.3. Kaufpreise für jüdische Betriebe ..….....244
        • Exkurs 9: Von den jüdischen Verkäufern „geschädigt“: Die Arisierung der Druckerei Gebr. Bauer .................................251
        • 2.1.4.4. Regelungen zu jüdischen Vorbesitzern und Angestellten ..............257
        • Die Erstellung von Verzeichnissen jüdischer Betriebe ................................262
        • Berufsverbote für Vertreter, Ärzte und Rechtsanwälte ................................264
        • Exkurs 10: „Heute in Deutschland leben zu müssen, ist nicht schön, aber interessant“: Der jüdische Anwalt Friedrich Jacobi ..............269
        • Die Situation für die jüdischen Betriebe am Vorabend der Reichspogromnacht ..….........276
        • 2.2. Arisierungen ab November 1938 ....................281
        • 2.2.1. Die Reichspogromnacht ......................281
        • 2.2.2.
        • 2.2.3.
        • 2.2.4.
        • 2.2.5.
        • 2.2.6.
        • 2.2.7.
        • 2.2.8.
        • 2.2.9.
        • Die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben und die Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens .........294
        • Exkurs 11: „Um diese ganze Angelegenheit zu legalisieren“:
        • Die Arisierung der Firmen von Martin Kallmann ......................299
        • Die Arisierung von Betrieben ab November 1938 ..…..312
        • Exkurs 12: „Notdürftig hergerichtet“: Das Kaufhaus Benno Furchheimer ......322
        • Die Arisierung von Grundstücken ab Dezember 1938 ..............................327
        • 2.2.4.1. Ablauf und Ausmaß der Grundstücksarisierung in Mannheim .....327
        • 2.2.4.2. Die Ariseure ............................336
        • 2.2.4.3. Kaufpreise und besondere Klauseln in den Arisierungsverträgen ..354
        • 2.2.4.4. Die Einflussnahme der Genehmigungsinstanzen auf die Arisierungsverträge ......359
        • 2.2.4.5. Zwangsversteigerungen von jüdischem Grundbesitz ....................375


        • Exkurs 13: Unter dem Hammer: Die Zwangsversteigerung des Liederkranz-Vereinshauses Q 2, 16 ..…....379
        • Kunstsammlungen, Wertpapiere und Anteile: Die Arisierung von sonstigem jüdischem Besitz ..….....383
        • „In einem Wäschekorb herangeschafft“: Die Ablieferung von Schmuck und Edelmetall beim Städtischen Leihamt Mannheim ............... 390
        • Die finanzielle Ausplünderung der Juden ab Winter 1938/39 ...................396
        • Exkurs 14: „Retten, was jetzt noch möglich ist“: Die finanzielle Ausplünderung des Paul Reiss ..…......407
        • Rettungsstrategien ...............................414
        • 2.2.8.1. Grundstückstauschgeschäfte ....415
        • 2.2.8.2. Übertragungen an arische oder halbarische Verwandte .................419
        • Exkurs 15: Ein Brief an den „Führer“: Das Konfektionsgeschäft Kaeferle........430
        • Ariseure und Profiteure ........................437
        • Exkurs 16: Eine „Epoche steilen Aufstiegs“: Das Kaufhaus Vetter im Dritten Reich 440

3. Enteignet und verwertet: Arisierung 1940–1945 ......469[]

      • 3.1. Die Verwertung des Besitzes der deportierten Mannheimer Juden .......................469


        • 3.1.1. Die Deportation der Mannheimer Juden im Herbst 1940 ......................... 469
        • 3.1.2. Der gesetzliche Rahmen: Der Himmler-Erlass vom 9.11.1940 .................. 472
        • 3.1.3. „Ein ziemliches Gedränge“: Die Verwertung des jüdischen Besitzes in Mannheim ..…....478
      • 3.2. „Dem Reich verfallen“: Die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz und die Enteignung der Mannheimer Juden ...491


        • 3.2.1. Die gesetzlichen Regelungen zur Enteignung der Juden ............................491
        • 3.2.2. Das in Mannheim beschlagnahmte Vermögen ..…........ 496
        • Exkurs17: „Betr.jüd.Vermögen, Hausgrundstück L5,1“:Die Villa Emil Mayer …508
      • 3.3. Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland als Instrument der Ausplünderung..513


        • 3.3.1. Die Reichsvereinigung und die Arisierung von jüdischem Privatbesitz ......514
        • 3.3.2. Die Reichsvereinigung und die Arisierung des Vermögens von jüdischen Stiftungen und Vereinen sowie des Besitzes der Jüdischen Gemeinde ........518
        • Exkurs 18: Vom jüdischen Altenheim zur Gestapo-Außenstelle: Das Hausgrundstück B 7, 3 ..….........524
      • 3.4. Die Verwertungsstelle für Volksfeindliches Vermögen und die Verwertung von jüdischem Umzugsgut und Hausrat .........529

Teil II: Wiedergutmachung ..….....550[]

    • 1. Überlebt in Mannheim oder verstreut in alle Welt: Jüdische Überlebende und Emigranten vor der Wiedergutmachungsgesetzgebung ..…...551


      • 1.1. Das Leben in der Emigration ..........................551


        • Exkurs 19: Von Jackfrüchten und dem Guineawurm: Die Familie Friedmann in Indien ..…..........555
        • Exkurs20: Industrieller, Mäzen und Regierungsberater: Reuben Hechts Karriere in Israel ..…......... 562
      • 1.2. Lokale Hilfsmaßnahmen für die überlebenden Juden in Mannheim ....................566


        • Exkurs 21: Nur an der Stimme erkennbar: Der Handelsvertreter Alfred Simon ..….........573

2. Die Restitution von jüdischem Besitz ...583[]

      • 2.1. Die rechtliche Basis: Die Restitutionsgesetzgebung ..…...........583


        • 2.1.1. Die Entstehung des Rückerstattungsgesetzes in der amerikanischen Zone ....583
        • 2.1.2. Das Gesetz Nr. 59, das Bundesrückerstattungsgesetz und das Reparationsschädengesetz: Inhalt und Prozedere ..........................589
      • 2.2. Die Restitution aus privater Hand ..................599


        • 2.2.1. Begegnungen zwischen jüdischen Vorbesitzern und Ariseuren ..................599
        • Exkurs 22: „Ein neuer Leidensweg“: Carl Herzberg und die Restitution seines Geschäfts ....................609
        • 2.2.2. Argumentationsmuster und Verteidigungsstrategien der Ariseure ..............615
        • Exkurs23: Ein„gewerbsmäßigerAriseur“auf der Anklagebank: Richard Greiling vor der Entnazifizierungskammer und im Rückerstattungsverfahren ... 629
        • 2.2.3. Die Einigung: Rückgabe in Natur oder Nachzahlungen ............................648
      • 2.3. Rückerstattungsverfahren gegen die Stadt Mannheim ..….......661


        • 2.3.1. Die Restitution von Grundbesitz .........662
        • 2.3.2. „Eine Art Wiedergutmachung gegenüber den Juden“: Die Vereinigte Jüdische Erinnerungsstiftung ..…..........669
      • 2.4. Rückerstattungsverfahren gegen das Deutsche Reich ..…........674


        • 2.4.1. Die Rückerstattung von Grundstücken ..….......677 2.4.2. Schadensersatz für eingezogene Bankkonten und Wertpapiere sowie für geraubten Hausrat ..….......686
        • 2.4.3. Die Restitution von abgelieferten Wertsachen ..…........697
      • 2.5. Die JRSO als Rückerstattungsberechtigte .......706


        • Exkurs 24: Ein „lästige[r] Streit“: Das Rückerstattungsverfahren wegen des jüdischen Krankenhauses ..….........713

3. Die Entschädigung ..….733[]

      • 3.1. Der rechtliche Rahmen: Die Wiedergutmachungsgesetzgebung ..........................733


        • 3.1.1. Die Entschädigungsgesetze in Württemberg-Baden und der US-Zone ......733
        • 3.1.2. Wiedergutmachung für NS-Opfer durch die Bundesrepublik Deutschland....736
      • 3.2. Die Entschädigung in der Praxis: Prozedere und Akteure ..…..743


        • 3.2.1. Vom Antrag bis zum Bescheid: Die Grundzüge des Entschädigungsverfahrens 744
        • 3.2.2. VorundhinterdemSchreibtisch: Die Akteure im Entschädigungsverfahren...756
        • 3.2.2.1. Die Akteure auf staatlicher Seite: Die Sachbearbeiter im Landesamt für Wiedergutmachung in Karlsruhe .....................756
        • 3.2.2.2. Die jüdischen Antragsteller und ihre Anwälte ..............................763
        • Exkurs 25: „Nicht an die Affaire erinnert“ werden: Das Entschädigungsverfahren von Adolf Spanier .........................782
        • 3.2.3. „... hat das Landesamt für Wiedergutmachung in Karlsruhe entschieden“: Die Entschädigungsleistungen für die jüdischen NS-Opfer ..........................789
        • 3.2.3.1. Pauschale Entschädigungszahlungen: Ausbildungsschäden; Soforthilfen für Rückwanderer; Schäden an Freiheit .................793
        • 3.2.3.2. Entschädigungen für die finanzielle Ausplünderung .....................810
        • 3.2.3.3. Individuelle Entschädigungszahlungen: Schäden an Eigentum, Vermögen und im wirtschaftlichen Fortkommen; Schäden im beruflichen Fortkommen; Schäden an Körper und Gesundheit; Schäden an Leben ...................822
        • Exkurs 26: „In rechtlicher Beziehung noch heute unerfahren wie ein Kind“: Das Entschädigungsverfahren von Lore Rosenzweig ........................873

Viele Listen, ein Judenstern und ein asiatisches Restaurant[]

oder
Ein persönliches Resümee nach drei Jahren Forschungsprojekt Arisierung und Wiedergutmachung ........883
  • Anhang ...................888

Verlagsinformation[]

Arisierung“, so nannte man im Dritten Reich die systematische Ausplünderungder Juden und die Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz. Ab 1933 wurden überall im Deutschen Reich jüdische Betriebe geschlossen oder an „Arier“ verkauft, flossen Bargeld, Sparbücher und Aktien in Form der sogenannten „Judenvermögensabgabe“ oder der „Reichsfluchtsteuer“ in dieKassen des NS-Staates. In einem letzten Akt der Ausplünderung wurde inden 1940er Jahren der Hausrat der deportierten Juden versteigert.

Auch in Mannheim verloren die einst 6.400 hier lebenden Juden im Dritten Reich fast ihren gesamten Besitz; mehr als 1.600 Betriebe und 1.250 Grundstücke wurden arisiert. Hunderte Mannheimer waren an derAusplünderung der Juden beteiligt und profitierten von ihr. 80 Jahre nach der Machtergreifung nennt die vorliegende Studie erstmals entscheidende Akteure beim Namen, Verfolgte ebenso wie Täter und Profiteure. Dabei wird deutlich: Arisierung war kein „von oben“, von der Reichsregierung, oktroyierter Prozess, sondern wurde vor Ort von Mannheimer Beamten und Kaufleuten, von normalen Bürgern also, getragen und vorangetrieben.

Daneben nimmt die Autorin auch die Wiedergutmachung in der Nachkriegszeitin den Blick und beleuchtet sowohl die Rückerstattung von in Mannheim arisiertem Besitz als auch Entschädigungszahlungen durch die Bundesrepublik Deutschland. Wie versuchte man in Mannheim in der unmittelbaren Nachkriegszeit den Überlebenden des Holocaust zu helfen? Zu welcher Einigung fanden Opfer und Täter von einst, die sich nun in Rückerstattungsverfahren unter gänzlich anderen Vorzeichen gegenüberstanden? Und wie lief die Entschädigung durch bundesdeutsche Behörden ab? Diesen Fragen geht die vorliegende Studie detailliert nach. Dabei betritt sie mit der umfassenden Analyse beider Prozesse – Arisierung und Wiedergutmachung – wissenschaftliches Neuland.

Zitate[]

die Profiteure und der letzte Akt

(S. 466ff. und 548f)

Mit Beginn des Jahres 1938 ergoss sich eine wahre Flut von Verordnungen und Gesetzen über die deutschen Juden und die bis dahin bestehenden lokalen Unterschiede bei der Arisierung und der Ausplünderung wurden eingeebnet. So definierte im Januar 1938 die Reichsregierung zunächst intern und später öffentlich, welche Betriebe überhaupt als jüdisch galten. Es folgten Verordnungen gegen die Unterstützung der Tarnung jüdischer Gewerbebetriebe, zur Anmeldung des jüdischen Vermögens und zur Erfassung der jüdischen Betriebe in Verzeichnissen. Daneben wurden in immer mehr Bereichen Berufsverbote für Juden erlassen, für jüdische Rechtsanwälte etwa, für Ärzte und für Vertreter. Nach dem ersten gewaltsamen Höhepunkt der NS-Judenpolitik, der Reichspogromnacht, entzogen schließlich die Verordnungen von November und Dezember 1938 den Juden im Deutschen Reich jegliche Existenzgrundlage. [...] Wer erst jetzt, ab November 1938, seinen Betrieb verkaufte, hatte allerdings in der Regel kaum noch eine Chance, Einfluss auf die Auswahl des Ariseurs oder auf die Höhe des Kaufpreises zu nehmen.

Neben dem Ausverkauf jüdischer Betriebe und, seit der Reichspogromnacht, auch von Grundstücken ersann das NS-Regime immer weitere Maßnahmen, um die deutschen Juden zu schröpfen, etwa die Judenvermögensabgabe, mit der zynischerweise die Opfer selbst für die Schäden aufkommen mussten, die bei den Pogromen entstanden waren. Außerdem mussten die Mannheimer Juden ab 1939 ihren Schmuck und ihre Wertsachen beim Städtischen Leihamt abliefern und auch bei der Devisengesetzgebung verschärfte das NS-Regime nach und nach die Regelungen.

Wer profitierte?[]

Der Raubzug gegen die deutschen Juden nahm 1938/39 immer aggressivere Formen an. Dabei profitierte vor allem die öffentliche Hand von der Arisierung. Über diverse Abgaben und Steuern flossen nun Milliardenbeträge in die Kassen des NS-Staats. Daneben traten überall in Deutschland Reichs- und Landesbehörden sowie Kommunen als Käufer jüdischen Grundbesitzes auf. In Mannheim erwarb die Stadt mit Abstand die meisten jüdischen Grundstücke und agierte dabei nicht selten ganz besonders rücksichtslos, setzte sich etwa über Vorverkaufsrechte hinweg oder drückte die ohnehin niedrigen Preise. Gleichzeitig etablierte sich ein regelrechtes "Netzwerk der Ausplünderung" (Meinl/Zwilling), ein "Arisierungsmilieu" (Klatt), und immer mehr Akteure wurden in die "Entjudung" eingebunden, so im Zuge des Genehmigungsverfahrens für die Arisierung von Betrieben und Grundstücken Beamte des badischen Finanz- und Wirtschaftsministeriums und des städtischen Hochbauamts sowie Mitarbeiter der IHK Mannheim und des Polizeipräsidiums . Beteiligt an der Ausplünderung der Mannheimer Juden waren darüber hinaus Finanz- und Zollbeamte, Mitarbeiter des Städtischen Leihamts, Banken, Makler und Auktionshäuser, ja selbst die evangelische Kirche.

Vor allem aber profitierten zahllose Firmen und Privatpersonen von der Verdrängung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben und der Arisierung.

Schließlich waren es arische Ärzte und Rechtsanwälte, die nach den Berufsverboten in die frei gewordenen Stellen nachrückten. Nicht messbar sind zudem die Vorteile, die arische Unternehmer hatten, weil jüdische Konkurrenten ihre Betriebe liquidieren mussten. Und schließlich wurden reichsweit Tausende aktiv und kauften jüdische Firmen und Grundstücke zu günstigen Preisen. Auch in Mannheim nutzten auf diese Weise Unzählige die Notlage der Juden aus.

Allein in Mannheim waren also Hunderte in die Arisierung eingebunden, befassten sich, in Amtsstuben und Büros, bei ihrer täglichen Arbeit mit der Ausplünderung der Mannheimer Juden oder erwarben jüdischen Besitz. Arisierung war damit nichts, was im Geheimen stattfand und verborgen blieb. Die Ausplünderung vollzog sich vor aller Augen, und selbst wer nicht Arisierungsverträge genehmigte oder jüdischen Besitz erwarb, wusste nur zu gut, was da passierte. Jeder, der Ende der 1930er Jahre mit offenen Augen durch Mannheim ging, konnte es sehen: dass dort ein jüdischer Laden schließen musste, hier ein arischer Unternehmer eine jüdische Firma übernahm. Und er konnte es lesen: All die gegen deutsche Juden in der Wirtschaft gerichteten Verordnungen waren in der Zeitung abgedruckt, wie auch Hunderte von Anzeigen, mit denen Ariseure kundtaten, dass wieder ein Geschäft in arischen Besitz übergegangen war.

Der letzte Akt der Ausplünderung[]

In einem letzten Akt der Ausplünderung brachte das Deutsche Reich in den 1940er Jahren all das an sich, was nun noch an jüdischem Besitz greifbar war: Das Vermögen der emigrierten Juden, ihre Grundstücke, Bankkonten und Wertpapiere, ebenso wie den Besitz der Deportierten, ja selbst das in den besetzten Ländern lagernde Umzugsgut ausgewanderter Juden und der Besitz verschleppter Juden aus Ost- und Westeuropa wurde "heim ins Reich" geschafft und dort verwertet. Und schließlich fiel, über die Durchgangsstation der Reichsvereinigung der Juden, auch das Eigentum jüdischer Vereine und Stiftungen sowie der Besitz der jüdischen Gemeinden an den deutschen Staat. In dieser letzten Phase war es also vor allem der Fiskus, der jüdischen Besitz an sich brachte und von der Ausplünderung profitierte. Daneben wurde geraubtes jüdisches Eigentum nun für jedermann zugänglich und erschwinglich. Gegenstände aus dem Hausrat der deportierten Juden oder dem Umzugsgut der Emigranten fanden den Weg in viele deutsche Haushalte, und auch in Mannheim wird so manche Hausfrau die günstige Gelegenheit genutzt haben, um ihren Vorrat an Tischdecken und Handtüchern aufzustocken, sich eine neue Nähmaschine zu leisten oder gar ein elegantes Büffet. [...]

Dabei zog sich die Gier nach dem jüdischen Besitz von ganz oben, vom Reichsführer SS, bis nach ganz unten, zum einfachen Bürger. Denn ebenso eifrig wie sich Himmler im Großen um das Eigentum der deportierten badischen Juden bemühte, versuchten reichsweit im Kleinen zahlreiche arische "Volksgenossen", jüdischen Besitz zu ergattern. Und so richteten auch in Mannheim nicht wenige, kaum dass die Deportationszüge aus dem Mannheimer Hauptbahnhof hinaus gerollt waren, begehrliche Blicke auf das, was die Juden hatten zurücklassen müssen, auf ihren Hausrat und ihre Grundstücke, ja setzten sich teilweise von sich aus mit den Behörden in Verbindung und erkundigten sich nach dem jüdischen Besitz. Diese Raffgier — ein Charakterzug im Übrigen, den die NS-Propaganda einst mit Fleiß den Juden unterstellt hatte — ist eine moralisch-ethische Bankrotterklärung einer ganzen Gesellschaft.


Zitiert nach: Christiane Fritsche: Ausgeplündert, zurückerstattet und entschädigt - Arisierung und Wiedergutmachung in Mannheim. Ubstadt-Weiher 2013, S. 466ff. und 548f. (in Auszügen)

Weitere Beispiele[]

Rezensionen[]

  • Lücke

Weblinks zum Thema[]

  • [Legalisierter Raub] - Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933–1945. Eine Ausstellung des Fritz Bauer Instituts und des Hessischen Rundfunks.

Mit Materialien: Regionale Ergänzungen zu den bisherigen Ausstellungsstationen (Exemplarische Rechercheergebnisse zur Lokal- und Regionalgeschichte der fiskalischen Ausplünderung der Juden in Hessen 1933–1945 an den Präsentationsorten der Ausstellung. 2016)

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